Immer wieder werde ich gefragt, was man unter Turnaround Management eigentlich versteht. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag: Was ist ein Turnaround, was kommt vor dem Turnaround und was ist eigentlich eine Stakeholder-Krise?

In der Betriebswirtschaft ist das „Turnaround Management“ eine eigene Disziplin. Wikipedia definiert den Turnaround so: „Ein Turnaround wird erforderlich, wenn der Erfolg unter ein akzeptierbares Niveau absinkt. Vor allem in der Wirtschaft beschreibt er die Überwindung einer Krise, den Wendepunkt in einer Kurve oder eine Trendumkehr in der Konjunktur (…). Im allgemeineren Sinn wird eine grundlegende Verbesserung der Unternehmensdaten als Turnaround bezeichnet, speziell ist er die Rückkehr eines Unternehmens in die Gewinnzone, das zuvor Verluste ausgewiesen hatte.“

Was soll ich sagen: Das ist sehr vereinfacht dargestellt. Ja, unter einem Turnaround wird vereinfacht eine Umkehr von einer sich verschlechternden Unternehmenssituation in eine wieder positive verstanden. Turnaround ist aber viel mehr, als „nur“ bei schlechten Zahlen zu agieren. Sicher, wenn erst einmal die Ergebnisse des Unternehmens abrutschen, die Kapitalgeber nervös werden oder es schon knapp in der Kasse wird oder vielleicht schon weiter, man nicht mehr die Rechnungen bezahlen kann und insolvent ist, dann wird es für jeden deutlich, dass sich etwas ändern muss.

Was vor der Ergebniskrise, der Liquiditätskrise und der Insolvenz kommt

Das Turnaround-Management kennt aber vor der Ergebnis-, Liquiditäts- und Insolvenzkrise noch zwei weitere, vorgelagerte Stufen, die häufig übersehen werden. Sie dürfen nicht vergessen, eine Ergebniskrise ist immer eine Konsequenz von etwas. Vor der Ergebniskrise kommen die Stakeholder-Krise und die Strategische Krise. Ein gutes Turnaround-Management greift also nicht erst bei Unternehmensverlusten in das Geschehen ein, sondern sorgt dafür, dass diese Verlustsituation erst gar nicht entsteht. Vor diesem Hintergrund wollen wir das erste Stadium einer Unternehmenskrise betrachten:

Die Stakeholderkrise

Jetzt werden Sie natürlich denken, dass ein Unternehmen durch andere Themen auch in eine Schieflage geraten kann, wenn z.B. ein großer Kunde nicht zahlt oder wenn eine Zulieferkette plötzlich wegbricht. Ja, das ist möglich und verdeutlicht auch den hier erwähnten Ausgangspunkt, die Stakeholderkrise.

Betrachten wir doch einmal die Stakeholder: Wer zählt zu den Stakeholdern eines Unternehmens? Alle, die ein Interesse an dem Unternehmen haben und/oder dessen Geschehen beeinflussen. Und wo liegt nun das Problem? Vielleicht denken Sie jetzt zuerst an den Geschäftsführer, der sich mit einem kleinen Vermögen in den Süden absetzt. Nein, das ist hier nicht gemeint. Vielmehr sind im ersten Gedanken die Aufsichtsräte und Beiräte eines Unternehmens gemeint, die häufig aufgrund ihrer Beziehungen und ihrer stoischen Art besetzt werden und weniger vor dem Hintergrund der fachlichen Expertise.

Wenn diese Organe jedoch nur alle Beschlüsse abnicken und weder kritische Fragen stellen noch der Geschäftsführung gelegentlich auf die Füße treten, dann werden Fehlentwicklungen im Unternehmen nicht frühzeitig diskutiert. Die Folge: Wertvolle Zeit für Gegenmaßnahmen geht verloren.

Nehmen wir noch einmal unser Beispiel des Kunden, der nicht bezahlt. Wenn ein Unternehmen von einem Kunden derart abhängig ist, dass dessen Zahlungsausfall die Insolvenz für das Unternehmen bedeutet, dann ist das ein gravierender Management-Fehler. Insofern ist es u.a. die Aufgabe eines Aufsichts- oder Beirats, die Umsatzstruktur zu hinterfragen.

Oder es tritt der Ausfall eines Lieferanten ein. Hier gilt dasselbe Prinzip. Ein Aufsichtsrat oder Beirat hat die Lieferketten ebenfalls zu hinterfragen, also alle Punkte im Wirtschaftsgeschehen, die eine Bedrohung des Unternehmens und der Unternehmenswerte bedeuten. Wird der Aufsichtsrat aber nur als notwendiges Übel oder als zusätzlicher Absatzweg über seine Kontakte gesehen, dann wird dieses Turnaround-Potenzial verschenkt. Die Folge sind dann die Turnaround-Maßnahmen, die in Wikipedia beschrieben werden und eigentlich viel zu kurz greifen:

„Wirtschaftliche Maßnahmen, die einen Turnaround zum Ziel haben, werden vom Turnaround-Management veranlasst und umfassen wirtschaftlich Desinvestitionen, Konsolidierung, Kostensenkung, Restrukturierung, Sanierung, Schuldenerlass oder Umschuldung. Organisatorisch kann eine Schwachstellenanalyse zur Aufdeckung von Schwachstellen, eine Personalfreisetzung (bis hin zur Massenentlassung) oder eine Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation zum Turnaround führen. Gelingen die ergriffenen Maßnahmen nicht, kommt es zur Insolvenz. Organisatorisch kann das Turnaround-Management innerhalb des Krisenmanagements angesiedelt werden.“

Warum ich diese Definitionen von Wikipedia zitiere? Selbstverständlich ist Wikipedia kein wissenschaftliches und anerkanntes Fachmagazin. Aber, wer sich mit dem Thema beschäftigen muss, weil sein Unternehmen es benötigt, kauft keine dicken Bücher mehr mit umständlichem Fachwissen, sondern schaut auf Wikipedia nach. So macht man das eben heute. Insofern ist es nicht meine Absicht, in diesem Blog eine wissenschaftliche Abhandlung zu verfassen, sondern Ihnen eine Hilfestellung einen Einblick zu einzelnen Themen des Turnaround Managements für den praktischen Einsatz zu geben.

Im nächsten Blogbeitrag: Die Strategische Krise.

Ich freue mich, wenn Sie wieder vorbeischauen!

Ihr

Dr. Ronald Heggmaier

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